Freihandelsabkommen

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Freihandelsabkommen werden zwischen zwei oder mehreren Ländern mit dem Ziel geschlossen, den internationalen Handel zu erleichtern. Vielen sind noch die leidenschaftlichen Diskussionen um die Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) zwischen der EU und den USA in Erinnerung.

Bei Freihandelsabkommen entfallen Zölle und Handelsbeschränkungen zwischen den beteiligten Partnern. Die Folge ist ein erhöhter Warenumsatz, dessen Sinn heute unter sozialökologischen Gesichtspunkten durchaus fragwürdig ist.

frei - fair - handeln

Freihandelsabkommen

Ein Freihandelsabkommen ist ein Abkommen, das zwischen zwei oder mehreren Ländern mit dem Ziel geschlossen wird, den internationalen Handel zu erleichtern. Bei Freihandelsabkommen entfallen Zölle und Handelsbeschränkungen zwischen den beteiligten Partnern. Die Folge ist ein erhöhter Warenumsatz, dessen Sinn unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten durchaus fragwürdig ist. Einerseits ist die Masse des Warenumsatzes insgesamt mit Blick auf Ressourcen und Klimawandel ohnehin schon längst kritisch zu sehen. Andererseits können erreichte soziale und ökologische Standards durch Freihandelsabkommen unterlaufen werden. Vielen sind noch die leidenschaftlichen Diskussionen um TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen der EU und den USA in Erinnerung.

Die Diskussionen und Medienberichte über den geheimen Umgang mit den TTIP-Unterlagen, der stark eingeschränkte, massiv erschwerte Zugang zu Ordnern und Dokumenten selbst für die gewählten Volksvertreter prägten sich tief ins demokratische Gedächtnis ein. In Anlehnung an eine bekannte Bibelstelle könnte man verlangen: »Gebt dem Volk, was dem Volk gehört, und der Wirtschaft, was der Wirtschaft gehört.« Die logische Folgerung für Christinnen und Christen jedenfalls kann nur lauten:

Sich einbringen, die christlichen Perspektiven einbringen — und sich nicht alles gefallen lassen ...!

Arbeitsgruppen in vielen christlichen Kirchen und Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen haben sich eingemischt, sachkundig gemacht und auf die Prozesse Einfluss genommen.

»Nizza-Verträge« - wissen Sie noch?!

Ging es dabei nicht »irgendwie« um Irland? Nein, es ging um die Neuordnung der Verträge zur Europäische Union und dabei um die Stimmenverteilung und Stimmengewichtung und die Einführung des Mehrheitsprinzips bei Abstimmungen statt Einstimmigkeit. Die besondere Rolle Irlands ergab sich aus der Tatsache, dass die Nizza-Verträge in fast allen EU-Staaten von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden konnten und wurden - außer in Irland. Dort musste der Beschluss durch eine Volksabstimmung herbeigeführt werden. Die Folge: Die Kampagnen zur Ablehnung der Nizza-Verträge konzentrierten sich auf Irland. Der Vertrag wurde im Mai 2001 von den irischen Bürgerinnen und Bürgern abgelehnt. Daraufhin beschloss die irische Regierung, 2002 eine zweite Volksabstimmung durchzuführen, in der der Vertrag dann angenommen wurde.

»TTIP«

Die Verhandlungen und kritischen öffentlichen Diskussionen zur »Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP)« zwischen der EU und den USA wurden 2016 gestoppt. Neben den umfassenden Einwänden von Kirchen und Umweltorganisationen wurden zuletzt - nach der Wahl Trumps zum Präsidenten - Einwände vonseiten der USA dominant. Statt der Idee des Freihandels rückte die Bevorzugung der eigenen Wirtschaft bei den Partnern zunehmend in den Blick.

Aus christlicher Perspektive ist das Ausspielen der eigenen Interessen gegenüber dem Partner hier jedoch nicht der entscheidende Punkt. Jedes Freihandelsabkommen bedeutet zwangsläufig auch Protektionismus gegenüber Akteuren außerhalb der Partnerschaft. Die Vereinbarungen dienen zwar der Verlässlichkeit und langfristigen Planbarkeit von Handelsbeziehungen, aber auch - und das nicht nur nebensächlich - der Erhöhung des Warenumsatzes insgesamt. Dass bei den Handelsinteressen in der EU allgemein die christliche Fundierung nicht dominiert, beweisen die Hühnerfleisch- und Milchpulver-Exporte nach Afrika schon lange.

Nach der Wahl von Joe Biden signaliserte der deutsche Bundesfinanzminister Lindner, die Verhandlungen fortsetzen zu wollen. Das ist sicher ein wichtiger Grund für Kirchen, Gemeinden und kirchliche Hiflsorganisationen, sich frühzeitig zu formieren. Unausweichlich sind aus christlicher Sicht folgende Aspekte, die nicht nur »frei« und »fair« wieder zusammenbringen, sondern auch »Liberalismus« neu interpretieren:

  1. Transparenz. Verhandlungen dürfen nicht wieder unter Ausschluss der Gesellschaft bzw. ihrer gewählten VertreterInnen sowie sachkundigen sozial-ökologischen Institutionen erfolgen.
  2. Warenumsatz und/oder Verträglichkeit. Der bei Freihandelsabkommen mitgedachte, gesteigerte Warenumsatz als Ziel der Vertragspartnern ist ökologisch zu hinterfragen. Die Belastung der Erde durch den unstillbaren Konsum der Wegwerfgesellschaft hat ohnehin sämtliche vernünftige Grenzen überschritten. Ein Indikator ist der → Erdüberlastungstag bzw. → Earth Overshoot Day.
  3. Lebensentwürfe Dritter beachten. Freihandelsverträge müssen grundsätzlich auf die Folgen für die Staaten und Wirtschaftsräume achten, die durch den Vertrag ausgeschlossen bzw. benachteiligt werden. Das betrifft den fairen Zugang der Länder des globalen Südens zu den Märkten der Reichen – in der Gegenwart ebenso wie in der Zukunft: Nachhaltig ist eine Entwicklung, »die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.« (Leitbild Nachhaltige Entwicklung aus dem Brundtland-Bericht 1987)

»CETA«

Dem Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement) haben die Regierungen von Kanada und der EU-Länder zwar zugestimmt, dennoch ist es 2017 nur in einigen Punkten in Kraft getreten. Die Ratifizierung durch einen großen Teil der nationalen Parlamente steht weiterhin aus!

Das Umweltinstutut München e.V. findet unter der Überschrift »CETA - Raubbau ohne Grenzen« deutliche Worte und bezeichnet das Abkommen, das (wie TTIP) ebenfalls hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde, als ökologisch hochgradig problematisch. Auch Brot für die Welt unterstützt die Kampagne »TTIP & CETA stoppen!« seit vielen Jahren (CETA: Menschenrechte als leeres Versprechen bzw. →bfdw60Link zur Studie über Menschrechte und EU-Handelsabkommen).

Was tun?! Durch die ausstehende Ratifizierung auch in Deutschland gibt es für die Kirchen die Möglichkeit, im Sinne der Bewahrung der Schöpfung gesellschaftlich Einfluss zu nehmen und das Abkommen zu verhindern. Das Umwelt- und Klimabewusstsein insbesondere bei der Jugend hat sich in den vergangenen fünf Jahren gewandelt. Das ist der entscheidende Anstoß, um (frei und fair) zu handeln, solange es noch geht.

Neuseeland: Im Juni 2022 hat die EU mit Neuseeland ein Freihandelsabkommen abgeschlossen. Bevor es in Kraft treten kann, müssen auch hier noch die 27 EU-Länder und das EU-Parlament zustimmen.