Sprache und Räume

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»Klimagerechtigkeit« ist nur ein Punkt von vielen! Fairness braucht eine Sprache und geschützte Räume zur Entfaltung.

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Sprache und Räume

Unsere Welt ist unfair geworden. Es ist eine Aufgabe – auch – der Christinnen und Christen, die Fairness sich wieder entfalten zu lassen. Denn woran erkennt man sie sonst – die Christinnen und Christen dieser Welt?! Auch an ihrer Sprache - daran, wie sie worüber sprechen.

Eine Sprache der »Freiheit in Fairness«

Wir sind gewohnt, einer Sprache der Freiheit eine Sprache der Fairness gegenüberzustellen, sie also gewissermaßen als Gegenpole zu betrachten. Unsere Sprache der Freiheit redet dem Individualismus das Wort. Die Sprache der Fairness stellt auf Respekt vor Anderen und deren Belangen ab. Die Sprache der Freiheit erfährt so theoretisch eine praktische Begrenzung durch die Belange der Fairness. In vielen Fällen geschieht diese Begrenzung der Freiheit durch die Fairness eben auch nicht, wie in vielen Formen des unternehmerischen Handelns oder eben in einem Eroberungskrieg wie dem in der Ukraine.

Die »Sprache der Freiheit statt Fairness« dominiert die »Sprache der Freiheit in Fairness«. Es braucht geschützte Räume wie den der Kirche und des Glaubens oder ein Narrativ wie das der »Nachhaltigen Entwicklung«, um eine »Sprache der Freiheit in Fairness« zu stabilisieren und sich entfalten zu lassen.

Geschützte Räume auf der Klimakonferenz 2021 - COP 26 in Glasgow

BlueZone400Auf der »COP 26« in Glasgow im November 2021 gab es zwei Arten von geschützten Räumen. Der eine war die so genannte Blue Zone. In die Blue Zone gelangten nur »akkreditierte« Personen, also Menschen, die meistens schon lange vor der Konferenz von den berechtigten Institutionen für das Betreten des inneren Bereichs zugelassen worden waren. An Drehkreuzen, die den durchgehenden, hohen Zaum unterbrachen, wurde jede Person kontrolliert.

Eine ganz andere Form von geschützem Raum installierte das Institut for Advances Sustainability Studies Potsdam (IASS) in Glasgow. Zum wiederholten Mal gab das IASS auf einer Klimakonferenz den Menschen und Institutionen eine Stimme, die sich den drängenden Herausforderungen des Klimaschutzes nicht mit einem technisch-wissenschaftlichen Vokabular nähern. Es galt, die Kräfte zu wecken, die sich mit Ausgleichszahlungen und technischen Klimaschutz-Innovationen nicht locken lassen, sondern einen Prozess der Heilung der Beziehungen und der Sehnsucht im Sinn haben. (Gemeint sind die gestörten und heilbaren Beziehungen zu Mitmenschen, zur Umwelt und Natur, aber auch zur Schönheit.) Der Fachbegriff ist »Co-Creative Reflection & Dialogue Space (CCRDS)«.

Eine andere Sprache, mit anderen Worten

»COP26 was a flop, but the climate justice movement is still growing.« – Das Fazit des IASS Potsdam stellt den Bezug zum einleitenden Text unseres Schwerpunktthemas her. Hier wurde am Beispiel der »Klimagerechtigkeit« gezeigt, wie durch ein anderes Vokabular ganz andere Charakteristika und Strukturen eines Themas - hier der Klimawandel - erschlossen werden. Die Begriffe »Klimagerechtigkeit« bzw. »climate justice movement« zeigen aktuell die Entstehung neuer Räume an, in denen Beziehung und Heilung tatsächlich stattfinden kann.

Fairness bedeutet, diese neue Sprache, diese Räume zuzulassen. Nichts anderes als das Öffnen von ungewohnten, neuen Räumen bedeutet letztlich die Aufforderung, auch die andere Wange hinzuhalten (Lk 6,29).

»Klimagefühle«?!

Ein vergleichsweise neuer Begriff in der Diskussion über Klimawandel und Klimaschutz ist »Klimagefühle«. Der Begriff deutet an, dass die Bedrohung durch den Klimawandel auch Angstgefühle auslöst. Nele Nopper befasst sich im Rahmen ihrer Bildungsarbeit mit Gruppen und in Unternehmen schon länger mit diesem Phänomen:NeleNopper

»Die Klimakrise hat auch eine emotionale und spirituelle Dimension – wie gehen wir mit den Gefühlen um, die die Klimakrise und andere Ungerechtigkeiten in uns auslösen?

Da sind z.B. Trauer um den Verlust an Biodiversität und Lebensräumen, der bereits geschehen ist und noch wachsen wird. Da ist die Angst, um die Sicherheit von Menschen, die in Regionen leben, die bald wohl nicht mehr bewohnbar sein werden, um die eigenen Lieben – ja auch vor einer Nicht-Erfüllung der eigenen Grundbedürfnisse. Da ist auch die Wut wegen der Untätigkeit so vieler Menschen, die Einflusskraft haben. Und da sind auch lähmende Gefühle wie Schuld, Scham und Ohnmacht. Wie bleiben wir da in liebevollem, aktiven und hoffnungsvollem Handeln?

Ein Ansatz kann sein, Mitgefühl zu praktizieren, mit uns selbst, mit anderen, mit unserer Mitwelt. Dafür braucht es Räume und Übung. Unsere Gefühle zu benennen und zu merken, dass wir mit ihnen nicht alleine sind, kann uns aus einem Gefühl der Isolation befreien und Platz für Verbindung und neuen Mut schaffen. Gemeinsam können wir mutiger sein, uns dem Ausmaß der Krise(n) gewahr zu werden und ihnen adäquat begegnen.

Diesen Fragen widme ich mich gemeinsam mit Teilnehmenden in den Klimagefühle-Workshops. Bei Interesse gerne melden unter: www.klimagefühle.de« (Achtung: mit »ü«, nicht mit »ue« ...)

Nele lebt und arbeitet für eine empathischere und klimagerechte Gesellschaft. Sie ist Workshopleiterin und macht Bildungsarbeit zu Klima-/Nachhaltigkeitsthemen. Zudem entwickelt sie neue Formate rundum Achtsamkeit, Tiefenökologie und Klimagefühle.

»Weltklima« - nicht nur meteorologisch, sondern auch kulturell und sozial

Zum »Klimagefühl« gehört die Sorge um das kulturelle und soziale Weltklima, das sich bisher einem wirksamen Klimaschutz entgegenstellt und globale Ungerechtigkeiten leichtfertig und unangemessen in Kauf nimmt. Die reichsten Länder verursachen den Klimawandel, und die ärmsten Länder leiden am meisten darunter. Das soziale Klima auf dem Planeten Erde - der Schöpfung - muss sich insgesamt wandeln, um die Herausforderungen bewältigen und wieder ein gutes Klimagefühl bekommen zu können - eine wahrhaft christliche Herausforderung.

Passend zum Thema »Klimagefühle« erschien im August 2022 das Buch »Klima im Kopf. Angst, Wut, Hoffnung: Was die ökologische Krise mit uns macht«. Katharina van Bronswijk ist Sprecherin der »Psychologists and Psychotherapists for Future«. Ein guter Einstieg ins Thema ist auch das Buch »Klimagefühle. Wie wir an der Umweltkrise wachsen, statt zu verzweifeln« von Lea Dohm und Mareike Schulze, ebenfalls im August 2022 erschienen.