Judika / 5. Fastensonntag (17.03.23)

Judika / 5. Fastensonntag

‚Lass uns eins sein, Jesu Christ, wie du mit dem Vater bist. Und mit unsrer kleinen Kraft, suchen was den Frieden schafft
“ (GL 481, 6+7; Ev. Gesangbuch 262, 6+7). Dieser Zusammenschnitt aus den Aussagen der Strophen 6 und 7 des Liedes ‚Sonne der Gerechtigkeit‘ könnte als Überschrift stehen ĂŒber den Aussagen der Schrifttexte dieses Sonntags. Verwurzelt in der Hoffnung, die uns der Glaube schenkt, sollen wir unser Leben in die Welt-Gemeinschaft einbringen.

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
1. Mose 22,1–14(15–19) Jer 31, 31–34 Hebr 5, 7–9 Joh 12, 20–33

Predigttext der Ev. Perikopenordnung:
1. Mose 22,1–14(15–19)
Exegese

Dieser Abschnitt aus dem 1. Buch Mose gehört sicher zu den scheinbar grausamsten und unverstĂ€ndlichsten des Alten Testamentes . Abraham ist eine der zentralen Figuren des Judentums, gilt als der Vater aller Glaubenden. Die ErzĂ€hlungen ĂŒber sein Leben und seinen Glauben hatten und haben einen hohen Stellenwert.

Im gros sind die Texte der Abrahamgeschichte im 8./9. Jh v. Chr. entstanden. Einzelne jedoch spĂ€ter erst eingefĂŒgt worden. Zu diesen gehört auch die ErzĂ€hlung ĂŒber das Opfer Abrahams. Dieser Text ist aller Wahrscheinlichkeit nach ins 2. vorchristliche Jahrhundert zu datieren.

Es war eine Zeit, in der die griechische Kultur massiv das jĂŒdische Leben beeinflusste. Die Juden mussten erleben, dass immer mehr ihrer Landsleute die eigene Religion vernachlĂ€ssigten und Interesse an den griechischen Göttern fanden.

Im griechischen Götterkult war es ĂŒblich, die Götter mit Opfergaben quasi zu „bestechen“, um sie fĂŒr das eigene Anliegen zu gewinnen. Diese Einstellung wurde teilweise von Juden dann auch fĂŒr die eigene Religion ĂŒbernommen.

Hier setzt diese ErzĂ€hlung an. Sie bedient sich des Stammvaters Abraham um das Gewicht der Aussagen zu bekrĂ€ftigen und erzĂ€hlt vordergrĂŒndig von einem beinahe-Menschenopfer. Es ist die Aufforderung, dem Gott Israels, dem „Ich-bin-fĂŒr-Euch-da“, das zu geben, was ihm gebĂŒhrt: Das ganze Leben. So wie Gott immer an der Seite seines Volkes steht, ihm immer seine NĂ€he schenkt, so soll Israel selbst bestĂ€ndig die NĂ€he Gottes suchen. Keine Haltung des Ich-gebe-Dir-etwas, damit-Du-mir-etwas-gibst.

BezĂŒge zur Nachhaltigkeit

Gott ist der, der sich uns immer ganz schenkt. Seine ungeteilte NĂ€he wird uns zuteil. In seinem Sohn hat er sogar sein Leben fĂŒr uns hingegeben. In eben solcher Weise, sollen wir unser Leben als bestĂ€ndigen Gottesdienst erfahren, als einen Dienst in Gottes Auftrag in dieser Welt. Unser Leben als sein Geschenk. Es gibt keinen Bereich unseres Lebens, in dem wir sagen könnten, hier ist Gott nicht, hier spielt er keine Rolle. Darauf verweist uns die Schrift an vielen Stellen, nicht immer so drastisch wie in diesem Abschnitt aus dem 1. Buch Mose. Das ist Gottes Idee seiner Herrschaft in dieser Zeit: Wenn er fĂŒr uns immer an erster Stelle steht, dann stehen damit unsere NĂ€chsten an erster Stelle. In ihnen begegnen wir ihm selbst. Es ist die Idee einer Welt frei von Egoismus und Zwietracht, von Habgier und Streit.

Weil wir Menschen sind, mĂŒssen wir uns immer wieder neu in diese Richtung ausrichten.

Die Fastenzeit ist eine solche Zeit des Neu-Ausrichtens. Das katholische Werk fĂŒr Entwicklungszusammenarbeit, Misereor, will uns insbesondere darauf aufmerksam machen, dass wir dazu gerufen sind, im Namen Gottes an einer menschenwĂŒrdigeren Welt mitzuarbeiten.

Zu den Schrifttexten der Kath. Leseordnung:
Erste Lesung: Jer 31, 31–34
Exegese

Der vorliegende Textabschnitt ist vor dem Hintergrund des vorausgegangenen Briefes an die Verbannten (Jer 29, 1-32) in Babel zu lesen. Die ‚Zukunft und Hoffnung‘, die Jeremia den Verbannten in Gottes Namen verheißen hatte, wird in den Kapiteln 30-31 in Trostworten und Heilsweissagungen weiter vertieft. Dabei stellt der vorliegende Abschnitt den Höhepunkt und Abschluss der Trostschrift dar.

BezĂŒge zur Nachhaltigkeit

Gott ist ein Gott der Hoffnung. In diesem Sinne bedeutet zu glauben immer auch zu hoffen. „Ich habe meine Weisung in ihre Mitte gegeben und werde sie auf ihr Herz schreiben.“ (Vers 33) Jeremia wird nicht mĂŒde zu betonen: Gott handelt! Nicht einmal, sondern immer wieder. Wo ich als Mensch an den Punkt komme zu resignieren, lĂ€sst seine Wirkkraft nicht nach. „So ist die Welt“ oder „So ist der Mensch“ sind keine SĂ€tze Gottes. Wir dĂŒrfen daraus Mut schöpfen, wenn uns die Anforderungen und Krisen unserer Zeit, zu ĂŒberwĂ€ltigen drohen. Gott sucht unablĂ€ssig nach einem Ansatz, das Herz eines jeden Menschen zu erreichen. Wir sind gerufen, seine Weisung zu leben und zu bezeugen und wir tun gut daran, dies als Gemeinschaftsprojekt zu verstehen. Als Gemeinschaftsprojekt allen Menschen guten Willens, als Gemeinschaftsprojekt von Gott und Mensch.

Zweite Lesung: Hebr 5, 7–9
Exegese

Die zweite Lesung ist dem 6 Kapitel umfassenden Mittelteil des HebrĂ€erbriefes (Hebr 4,14 – 10,31) entnommen, der sich im Wesentlichen mit dem Hohepriestertum Jesu auseinandersetzt. Ganz grundsĂ€tzlich geht es dem Verfasser um die Hoffnung und Zuversicht die Christ*innen bzgl. des Endgerichts haben dĂŒrfen: Jesus als Hohepriester hat uns gerettet. Unsere Antwort darauf soll gelebter Glaube sein: Martyria", Liturgia und Diakonia.

BezĂŒge zur Nachhaltigkeit

Weil er treu zu Gott hielt, ist er schließlich auch erhört worden.“ So ĂŒbersetzt die ‚Gute-Nachricht-Bibel‘ Vers 7b. Die Treue zu Gott, zu seiner Botschaft und seiner Offenbarung in Jesus Christus zeigt sich im allumfassenden Gottes-Dienst. Gott loben, ihm danken, zu ihm beten in der Liturgie ist davon eine Seite. Durch die Erfahrung von Gemeinschaft und den Dialog mit Gott im Gebet bestĂ€rkt, die Botschaft Gottes im Alltag zu leben, ist die andere Seite. Glaube bewahrt nicht vor Erfahrungen des Leids, des Scheiterns. Wir dĂŒrfen Bitten, Flehen, unter TrĂ€nen schreien – aktiv MissstĂ€nde anklagen vor Gott und aller Welt. ‚Treue im Glauben‘ meint aber, dabei nicht stehen zu bleiben, sondern nach Handlungsoptionen zu suchen und sie zu ergreifen, in der Zuversicht: Gott hilft, dass es am Ende (wieder) gut wird.

Evangelium: Joh 12, 20–33
Exegese

Bei Johannes beginnt die Leidenswoche Jesu mit der ErzĂ€hlung von der Salbung in Betanien. Dieser schließt sich der Einzug in Jerusalem an, auf welchen dann der Abschnitt folgt, der am 5. Fastensonntag als Evangelium in der Leseordnung vorgesehen ist. Johannes hat diese Reihenfolge bewusst gewĂ€hlt. Der/ Die Leser*in/ Hörer*in soll von Anfang an darauf hingewiesen werden, dass der Todesweg Jesu nicht in die EndgĂŒltigkeit des Todes fĂŒhrt, sondern ein Weg ist zum endgĂŒltigen und endzeitlichen Sieg Jesu ĂŒber dem Tod. So gibt der vorliegende Textabschnitt eine Gesamtschau des johanneischen HeilsverstĂ€ndnisses als Einheit von Christologie, Eschatologie und Soteriologie.

BezĂŒge zur Nachhaltigkeit
„Wer sein Leben liebt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben.“ Vers 25 stellt die Sinnfrage: Was bedeutet ‚Leben‘ fĂŒr mich? Als glĂ€ubiger Mensch, als Christ*in darf ich mein Leben als von Gott geschenkt ansehen. Als wertvoll, jenseits menschlicher MaßstĂ€be von Erfolg, Schönheit, Perfektion. Die Bibel ‚Hoffnung fĂŒr alle‘ ĂŒbersetzt: „Wer aber sein Leben in dieser Welt loslĂ€sst
“ Diese Übersetzung, zusammengelesen mit Vers 24 hilft vielleicht besser zu verstehen, was gemeint ist: Das Lebens-Geschenk wird umso wertvoller, je mehr ich dazu in der Lage bin, es mit anderen zu teilen. Egoistische Selbstperfektionierung fĂŒhrt nicht in die FĂŒlle des Lebens. Leben im VerstĂ€ndnis der Bibel ist ein Gemeinschafts-Projekt: Leben mit anderen, fĂŒr andere.

Das katholische Werk fĂŒr Entwicklungszusammenarbeit, Misereor, ruft an diesem Sonntag zur SolidaritĂ€t mit Menschen weltweit auf. Das Beispiel eines Misereor-Projektes in Kolumbien will zum Nachdenken ĂŒber weltweite SolidaritĂ€t anregen: KleinbĂ€uerliche Landwirtschaft im Miteinander der Menschen vor Ort, im Austausch von Wissen und Saatgut, im Miteinander von Mensch und Schöpfung. Nicht der beschrĂ€nkte Blick auf mein eigenes Fortkommen, kein Ausbeuten der Natur ohne den Blick auf ihren Wert fĂŒr kommende Generationen. Die Menschen in Kolumbien zeigen in diesem Projekt: Das Leben lieben bedeutet, es wertzuschĂ€tzen als Geschenk an die Weltgemeinschaft. Ich bin eingebunden in eine Schicksalsgemeinschaft, bin Mit-Geschöpf, Erb*in und Erblasser*in in einem. Mein Leben als Weizenkorn zu verstehen, das ich einbringe fĂŒr eine gute Gegenwart und Zukunft aller.

Andreas Paul, Aachen