Die Welt-Klimakonferenz in Madrid umrahmte den 2. Advent 2019. Geplant war 2. bis 13.12., jedoch lagen bis dahin keine Beschlüsse vor. Die gefundenen Kompromisse stehen eher für ein "Weiter so" als für "Aufbruch".
Der Klimawandel erschließt "Verwundbarkeit" nicht in seiner gesamten christlichen Relevanz, aber zeigt die Dramatik unübersehbar auf.
Das Tagesschau-Video links zeigt entwaffnend direkt die momentane Situation auf dem Planeten Erde in Sachen Klimaschutz. Das Bewusstsein für die Bedrohlichkeit der Situation ist zwar in der Weltbevölkerung angekommen, Politik und Wirtschaft verhalten sich aber abwartend, ebenso die Masse der Bevölkerung, die auf dem Standpunkt steht, die Politik wird es schon richten - dafür ist sie schließlich da. Die Frage ist: Wie gut und wie schnell? Bis dahin gibt es jedoch eine Reihe von Sofortmaßnahmen.
Sofortmaßnahmen:
- weniger Autofahren
- weniger fliegen
- weniger Smartphone- und Internetnutzung
- weniger Fleisch essen
- die Raumtemperatur um 1-2 Grad absenken
Im Winter Pullover statt T-Shirt in der Wohnung zu tragen scheint in unserer modernen, industrialisierten Zeit kaum diskussionsfähig. Andererseits ist "alte Gewohnheit" keine zukunftsfähige Kategorie. Die Temperatur abzusenken oder weniger Auto zu fahren sind unmittelbar und sofort wirksam. Vision: Im Pullover sitzen wir vor dem Fernseher und harren auf das Ende der "COP 25" und die Verkündung ihrer wegweisenden, endlich glaubhaft Orientierung gebenden Beschlüsse ... - und auf den Beginn der "COP 26", der "COP 27", der "COP 28" und das Ansteigen des Meeresspiegels.
Dass es anders geht, steht außer Frage. Fangen wir in den Landeskirchen und Bistümern an! Das ersetzt nicht die politische Weichenstellung, aber es ersetzt das mühsame Warten auf politische Weichenstellung. Geben wir ein Zeugnis des Glaubens: Jesus hat sich um die Verletzten und Schwachen gekümmert - aktuell ist die Schöpfung als Ganzes verletzt und geschädigt. Oder wie es ein Teilnehmer in der Projektsitzung "nachhaltig predigen" im Januar 2019 formulierte: In Wirklichkeit wird Jesus von den Menschen jeden Tag aufs Neue ans Kreuz geschlagen.
"Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?" (Lk 2,49b)
Interessant ist ein Bericht auf "Spiegel onliine", zu dem die rechts abgebildete Grafik gehört. Demnach hat ein zum amerikanischen Energiekonzern Exxon gehöriger Wissenschaftler bereits in Jahr 1977 (!) den Klimawandel aufgrund des Energieverbrauchs und des CO2-Anstiegs in der Atmosphäre im voraus richtig berechnet. Passend dazu stellt der Deutsche Wetterdienst in seinem Jahresbericht 2019 fest - 42 Jahre später: Es wird wärmer und wärmer ...!
Bemerkenswert ist hier nicht, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu richtigen Ergebnissen kommen, wenn sie die richtigen Daten haben. Bemerkenswert und gut auf die Gegenwart übertragbar ist eine im Bericht erwähnte Investition von Millionen von Dollars, um die Ergebnisse in einer groß angelegten Kampagne zu verleugnen. Vielleicht hätte Exxon anders kurzfristig weniger Gewinn gemacht. Aber die Weichen für die parallele Entwicklung energieeffizienter Technologien hätten viel früher gestellt werden können. Das ist "Schnee von gestern". Heute ist "COP 25".
Pullover auspacken und die Verantwortlichen an das Gewissen erinnern!
(und weniger Auto fahren, weniger fliegen, weniger Smartphone- und Internetnutzung, ...)
Insektensterben
Das zweite große Thema, das die Verwundbarkeit des Planeten Erde und der ökologischen Zusammenhänge aufzeigt und seit den aufrüttelnden Berichten in 2017 und 2018 in das öffentliche Bewusstsein gedrungen ist, ist das Insekten- und Bienensterben. Beim Rückgang von Beständen an Bären, Wölfen oder Luchsen oder an Pflanzenarten durch industrielle Landbewirtschaftung kann man noch an Verdrängungswettbewerbe im Hinblick auf den beanspruchten Lebensraum denken. Aber die kleinen Insekten nehmen den Menschen keinen Raum weg, ebenso wenig wie die Vögel, die sich von den Insekten ernähren und deren Bestand zwangsläufig ebenfalls zunehmend zurückgeht. Das verwirrt. Warum müssen Insekten und Vögel dem Menschen weichen?
Als Ursachen für das Insektensterben werden im Wesentlichen drei Punkte genannt: der quantitativer Verlust von Lebensräumen, die qualitative Verschlechterung der Lebensräume und Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln. Aus christlicher Sicht ist eine wesentliche Ursache zu ergänzen: die fehlende Achtsamkeit für das Miteinander der Geschöpfe in der Schöpfung, für die Verletzlichkeit des Ganzen. Fehlende Achtsamkeit geht Hand in Hand mit der Ausblendung des Wissens um die Zusammenhänge. Dabei heißt es doch auffordernd in der Bergpredigt: "Du sollst dein Licht nicht unter den Scheffel stellen!"
Auch beim Insektensterben gibt es Sofortmaßnahmen, wie beim Klimaschutz, nämlich bei Einkauf darauf zu achten, dass die benötigten Lebensmittel aus weitgehend pestizidfreiem Anbau stammen. Bei der Auswahl helfen Biosiegel (s.a. Gegenüberstellung auf www.ecowoman.de). Handlungsbedarf besteht jedoch in erster Linie auf einer andere Ebene.
Bei der Vermeidung von Pestiziden, der Verbesserung der Strukturvielfalt und Extensivierung in der Agrarlandschaft bis zur Vermeidung von "Lichtverschmutzung" in und um Siedlungen sind in erster Linie Pächter und Eigentümer die entscheidenden Akteure, also auch Kirchengemeinden bzw. Liegenschaftsverwaltungen der Bistümer und Landeskirchen.
Aber ohne gleichzeitig veränderte Nachfrage und verändertes Kaufverhalten lassen sich keine Erfolge erzielen.
Klima des Aufbruchs
- Das Verwirrende und für viele persönlich Unerträgliche am Insekten- und Bienensterben hat die Menschen in Bayern zu einem Volksbegehren "Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern – Rettet die Bienen!" mobilisiert.
- Die Trägheit und die fehlende Glaubwürdigkeit der Verantwortlichen in Bezug auf den Klimaschutz hat zu "Fridays for Future" geführt.
- Am 1. Advent hat in den deutschen Bistümern der "Synodale Prozess" begonnen, mit der Leitfrage, was Kirche und Christsein heute heißt.
Es ist eine Zeit des Aufbruchs. In ihr kann es gelingen, die Botschaft des Evangeliums wieder von ihrem Kern her zu erfassen und umzusetzen: Sich dankbar und begeistert für die Schönheit der Schöpfung und für ihre Erhaltung einzusetzen. Keinen Aufbruch signalisiert die Welt-Klimakonferenz in Madrid. "Schade" zu sagen und abzuwarten hilft nicht weiter.
Es ist an der Zeit für christliche Initiativen und Hilfe zur Selbsthilfe.