Tag der Geburt / Christfest I / Weihnachten (25.12.23)

Tag der Geburt Christi / Christfest I / Weihnachten

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
2 Mose 2,1-10 am Morgen: Jes 62, 11-12
am Tag: Jes 52, 7-10
am Morgen: Tit 3, 4-7
am Tag: Hebr 1, 1-6
am Mo.: Lk 2, 15-20
am Tag: Joh 1, 1-18

Zum Proprium des Festtages

"Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit." (Joh 1,14a) – Unter diesem Leitsatz steht der erste Weihnachtstag.
Die Lesungen kreisen um die Verheißungen, die in der Geburt Jesu erfĂŒllt sind, sprechen aber auch die Hoffnung an, die mit diesem Kind in die Welt gekommen ist. Als Tageslied schlĂ€gt der liturgische Kalender der protestantischen Kirchen EG 23 vor: Gelobet seist du, Jesu Christ. Seine Strophen bringen diese neue Hoffnung zum Ausdruck.

GefÀhrdete Hoffnung?

In seinem im Jahr 2015 erschienenen LebensrĂŒckblick spricht Hans Joachim Schellnhuber, der langjĂ€hrige Direktor des PIK – Potsdam Institut fĂŒr Klimafolgenforschung, von der „Selbstverbrennung", auf die die Menschheit zuschreite. Das Buch ist voll von apokalyptisch anmutenden Bildern, die der scheinbar so nĂŒchterne Wissenschaftler zeichnet. Am Ende seiner wissenschaftlichen Laufbahn hat er offensichtlich nur noch wenig Hoffnung, dass es der Weltgemeinschaft noch gelingt, die ErderwĂ€rmung auf ein ertrĂ€gliches Maß zu begrenzen.

Acht Jahre spĂ€ter sind es vor allem die Bilder von jungen und nicht mehr ganz so jungen Menschen, die auf Straßenkreuzungen oder Startbahnen kleben, in denen die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit von Menschen angesichts der Klimakrise zum Ausdruck kommen. Meine 29-jĂ€hrige Mitarbeiterin im Klimaschutzmanagement erzĂ€hlt mir, dass viele ihrer Freundinnen keine Kinder bekommen wollen, da sie ihnen nicht zumuten wollen, in einer Welt in Krise zu leben.

Die Botschaft der Weihnacht in Zeiten planetarer Krisen

Nach der Wintersonnenwende auf der Nordhalbkugel beginnen die Tage in der Weihnachtszeit wieder lĂ€nger zu werden. Die Botschaft des Christfestes ist eng mit diesem kalendarischen Ereignis verknĂŒpft: „Das Licht scheint in der Finsternis", heißt es im Johannes-Prolog (Joh 1,5), der im römisch-katholischen Lesejahr als Evangelium fĂŒr den Weihnachtstag vorgesehen ist, vom „Licht, das in die Welt gekommen" singen Menschen in vielen Gottesdiensten (EG Regionalteil Bayern/ThĂŒringen, 550).
Neues ist angebrochen, aber zunĂ€chst nur langsam und unscheinbar breitet es sich aus. Diejenigen aber, die sich von diesem Licht Gottes ergreifen lassen, werden zu „Erben des ewigen Lebens nach unserer Hoffnung" (Tit 3,7, Epistel in der röm.-kath. Leseordnung).

WÀre der Weg Jesu mit dem Tod am Kreuz am Karfreitag zu Ende gewesen, so wÀre seine Geburt keinen Festtag wert. Das Christfest ist daher nicht loszulösen vom Ostersonntag, ja erhÀlt seine Bedeutung erst von der Erfahrung her, dass Gott durch den Tod hindurch seinen Christus zu neuem Leben erweckt hat. Das neue Leben Gottes, das am Christfest in die Welt einbricht, ist stÀrker als alle MÀchte des Todes.

In Zeiten planetarer Krisen dieses Einbrechen des Lebens Gottes in die Finsternis der Welt zu feiern, bedeutet daher, daran festzuhalten, dass Gott ein Gott des Lebens und nicht des Todes ist, ein Gott, der durch alle Vernichtung und allen Tod hindurch neues Leben möglich macht. Der Johannes-Prolog steht möglicherweise in enger Verbindung mit dem Lied der Weisheit in SprĂŒche 8, in beiden kommt die kosmische Dimension des schöpferischen Handelns Gottes zum Ausdruck. Johannesprolog und Kolosserhymnus (Kol 1,15-20) identifizieren diese kosmische Dimension mit dem Christusgeschehen. In der Geburt Jesu kondensiert sich gewissermaßen das schöpferische Handeln Gottes, um sich dann wieder im Wirken der Geistkraft Gottes ĂŒber die ganze Welt auszubreiten.

Klimakrisen und planetare Kipppunkte mögen uns heute Ă€hnlich bedrohlich erscheinen wie den JĂŒngerinnen und Jesu die Hinrichtung Jesu. Vielleicht sind sie der Karfreitag der Welt, wie wir sie gewohnt waren. Mit dem Bekenntnis zu Christus als dem Licht Gottes, das in die Welt gekommen ist, verbinden sich aber die Hoffnung und das Vertrauen darauf, dass Gott auch durch das Dunkel unserer Zeit hindurch neues Licht und Leben ermöglichen wird.

Die Texte im Einzelnen

2. Mose/Exodus 2,1-10

Die Geburts- und Kindheitsgeschichte des Mose. Die protestantische Leseordnung sieht hier offenbar die Parallele zwischen Geburt, GefĂ€hrdung und Rettung des alttestamentlichen Retters mit dem neutestamentlichen. Ein expliziter Bezug zu Nachhaltigkeitsthemen ist in dem Text nicht gegeben, jedoch kann auch ausgehend von dieser Geschichte natĂŒrlich auf das rettende und bewahrende Handeln Gottes durch die Zeiten hindurch eingegangen werden (so wie ich das oben beschrieben habe).

Jes 52,7-10

Eine der großen Zukunftsvisionen des Jesaja-Buches. Der Prophet preist den völkerĂŒbergreifenden Frieden, der mit der endzeitlichen Herrschaft Gottes auf dem Zion verbunden sein wird. Anders als in Jes 9 und 11, zwei weiteren Lesungen aus der Weihnachtszeit, ist hier der Messias nicht explizit erwĂ€hnt; dass aber auch Jes 52 zu den Lesungen der Weihnachtszeit gehört, ist sicherlich in der Gleichsetzung Jesu mit dem endzeitlichen Messias begrĂŒndet. In ihm ist diese Friedenszeit angebrochen.
Krieg und Umweltzerstörung gehen Hand in Hand, das erleben wir in Europa seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Die Vision des endzeitlichen Friedensreiches verheißt daher nicht nur Ruhe und neues Leben fĂŒr die sich bekriegenden Völker, sondern auch Ruhe und Erholung fĂŒr die im Krieg geschundene Mitwelt.

Jes 62,11f

Auch der kurze Auszug aus Jes 62 steht im Kontext der endzeitlichen Herrschaft Gottes auf dem Zion, sodass die Gedanken zu Jes 52 auch hier ihren Platz haben können. Nimmt man die umliegenden Verse zur Lesung oder zur Auslegung hinzu, so kommt hier sehr eindrĂŒcklich zum Ausdruck, dass Frieden die Voraussetzung fĂŒr ein nachhaltiges Miteinander der Völker ist: „Der HERR hat geschworen bei seiner Rechten und bei seinem starken Arm: Ich will dein Getreide nicht mehr deinen Feinden zu essen geben noch deinen Wein, mit dem du so viel Arbeit hattest, die Fremden trinken lassen, sondern die es einsammeln, sollen's auch essen und den HERRN rĂŒhmen, und die ihn einbringen, sollen ihn trinken in den Vorhöfen meines Heiligtums." (Jes 62,8f).

Joh 1,1-18

Der Johannes-Prolog identifiziert in Jesus von Nazareth den göttlichen Logos („das Wort"). Dieser ist prĂ€existent mit Gott, durch ihn ist alles geschaffen (Joh 1,2f, vgl. Spr 8,22ff). Vers 4 bezeichnet ihn daher als „das Leben", und dieses Leben wird zum Licht fĂŒr die Menschen. Über diese Gleichsetzung von Logos – Leben – Licht kommt der Prolog dann zu der Licht-Finsternis-Metaphorik, von der die weiteren Verse geprĂ€gt sind.

In Jesus von Nazareth manifestiert und konzentriert sich also die immer schon prÀsente Lebenskraft Gottes. Diese Kraft kann Finsternis in Licht verwandeln, wo Menschen an sie glauben.

Nach Johannes geht es immer wieder darum, die Gegenwart des Logos/des Lichts zu erkennen (Vers 10ff). Die Auslegung kann daher dazu anleiten, nach den Spuren der Gegenwart der schöpferischen Kraft Gottes heute zu fragen. Sie kann ebenso thematisieren, was es bedeutet, diese heute bei uns aufzunehmen (Vers 12).

Lk 2,15-20

Der Ausschnitt aus der HirtenerzĂ€hlung scheint zunĂ€chst keinen unmittelbaren Bezug zu Fragen der Nachhaltigkeit zu haben. Wenn allerdings die Dynamik betrachten, von der diese ErzĂ€hlung geprĂ€gt ist, so zeigen sich durchaus Parallelen zu den Herausforderungen der Großen Transformation, die wir heute benötigen, um zu einem nachhaltigen Leben und Wirtschaften zu gelangen: Erschrecken – Staunen – Loben.

ZunĂ€chst erschrecken die Hirten vor der Erscheinung der Engel. Doch sie lassen sich auf deren Botschaft ein und machen sich auf den Weg zum Stall. Dort staunen sie, weil sie tatsĂ€chlich vorfinden, was die Engel ihnen verheißen haben. ZurĂŒck in ihrem Alltag aber loben sie Gott fĂŒr das, was sie im Stall erlebt haben.

Diese Dynamik lĂ€sst sich in vielen VerĂ€nderungsprozessen erleben – auch in der Transformation, die wir aktuell durchleben: Erschrecken vor den Herausforderungen und der nötigen VerĂ€nderung – Staunen, wenn die ersten Schritte tatsĂ€chlich gelingen – Freude und Lob, wenn ein wichtiger Meilenstein erreicht ist. Die Hirten können so zur Einladung werden, sich auf die notwendige VerĂ€nderung einzulassen.

Tit 3,4-7

Die GĂŒte und Menschenfreundlichkeit Gottes sind in Jesus Christus unter den Menschen erschienen. Das neue Leben ist angebrochen, und diese Erfahrung begrĂŒndet fĂŒr den Autor eine tiefe Hoffnung, die durch alle Zeiten hindurch trĂ€gt: die Perspektive des Ewigen Lebens.

Die Auslegung kann so zu einem PlÀdoyer werden, auch in schwierigen Zeiten an der Hoffnung des Lebens festzuhalten.

Hebr 1,1-6

Ähnlich wie im Johannesprolog klingen auch in den ersten Versen des HebrĂ€erbriefes die PrĂ€existenz des Christus und dessen Schöpfungsmittlerschaft an (Vers 2). Es bietet sich also an, in der Auslegung auf die kosmische Dimension des Christusgeschehens zu sprechen zu kommen: In Christus grĂŒndet die Hoffnung auf gutes Leben fĂŒr alle Welt.

Dr. Wolfgang SchĂŒrger, MĂŒnchen

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