Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr / 33. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 16,1-8(9) | Spr 31, 10-13.19-20.30-31 | 1 Thess 5, 1-6 | Mt 25, 14-30 |
Die Bibelstellen des Sonntags sind auf interessante Weise aufeinander bezogen. Die Autorin greift diesen Aspekt - Geld - auf und stellt ihre Predigtanregungen damit unter eine gemeinsame Perspektive, ohne die Tagesperikopen in einzelne Kapitel "aufzutrennen".
Nachhaltig mit Geld umgehen: die geschäftstüchtige Frau, der gerissene Verwalter und der faule Knecht
Das Lob der tüchtigen Frau in Sprüche 31 und die Gleichnisse von den anvertrauten Talenten und vom ungerechten Verwalter im Matthäus- und Lukasevangelium – kaum eine Zusammenstellung von Bibeltexten könnte einen besseren Anlass bieten zu einem ökumenischen Gottesdienst am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres zum Thema „Nachhaltig mit Geld umgehen“.
Drei Personen stehen im Mittelpunkt der Texte: die geschäftstüchtige Frau, der gerissene Verwalter und der faule Knecht. Alle drei stehen im Scheinwerferlicht wegen ihres wirtschaftlichen Handelns und ihres Umgangs mit Geld. Über alle drei wird der Stab gebrochen: Zwei werden ausdrücklich gelobt, einer wird als böse verurteilt und in die äußerste Finsternis verbannt. Was machen die Frau und der Ökonom richtig? Was ist der Fehler des faulen Knechts? Offensichtlich ist die eine Antwort darauf, dass die ersten beiden tüchtig sind – emsig, fleißig, geschickt, ergebnisorientiert – während der Knecht faul ist, das anvertraute Geld vergräbt und die Hände in den Schoß legt.
Geld als Ware und Medium
Vergraben, Verbergen, Verstecken und Aus-dem-Verkehr-Ziehen ist also im Licht der biblischen Texte kein ethisch-nachhaltiger Umgang mit Geld. Das ist besonders dann gut nachvollziehbar, wenn Geld nicht als Substanz, sondern als Medium verstanden wird – ebenso wie das Medium Sprache auf Austausch und Zirkulation hin angelegt. Der faule Knecht macht den weit verbreiteten Fehler, Geld als Ware und rein materiell begreifen zu wollen, etwa als Silbertalente oder Goldmünzen. Geld ist laut dieser nach wie vor herrschenden Theorie relativ spät in der Menschheitsgeschichte erfunden worden, um den eigentlich ursprünglichen Warentausch zu vereinfachen.[1] Demnach ist Geld selbst als Ware anzusehen. Auf dieser theoretischen Grundlage lassen sich jedoch weder die schwankende Geldnachfrage der Wirtschaft noch Ereignisse wie Blasenbildungen und Finanzkrisen erklären – und auch nicht „die auffällige Erscheinung, daß bei Ausbruch eines Krieges oder sonstiger Katastrophen das Geld verschwindet, als ob es in die Erde gesunken wäre“, wie der Philosoph und Soziologe Georg Simmel in seiner 1900 veröffentlichten und nach wie vor grundlegenden „Philosophie des Geldes“ schreibt.[2] Diese Phänomene lassen sich jedoch mit der Theorie, die u.a. Simmel begründet hat, problemlos erklären: Geld ist demnach übertragbarer Kredit und Kredit ist als soziale Errungenschaft, die auf Vertrauen basiert, so alt wie die Menschheit selbst und ebenso wie Sprache einem ständigen Wandel unterworfen. „Credit – the disposition of one man to trust another – is singularly varying,“ schreibt der englische Wirtschaftsjournalist Walter Bagehot 1873, der in seiner Beschreibung des Londoner Finanzmarktes zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt wie später Simmel.[3]
Geld und Schalom
In den drei biblischen Texten geht es zweifellos nicht um die Diskussion von verschiedenen Geldtheorien. Aber es wird darin ein Verständnis von Geld und einem guten und nachhaltigen Umgang damit deutlich, das überraschende Übereinstimmung mit dem u.a. von Simmel und Bagehot begründeten Ansatz zeigt. Im Idealfall geschieht mit Geld das, was die tüchtige Frau damit anstellt – die übrigens mitnichten eine „Hausfrau“ ist, wie es in der Überschrift der Perikope in der Lutherbibel von 1984 noch hieß, sondern eine veritable Unternehmerin, die nicht zufällig mit einem „Kaufmannsschiff“ verglichen wird (V. 13). Sie plant weise und vorausschauend, erwirbt Produktionsmittel wie Äcker und Weinberge, leitet ihre Mitarbeitenden an bei der Bewirtschaftung, packt selbst fleißig mit an und treibt erfolgreichen und gewinnbringenden Handel mit den erzeugten Produkten. Geld ist für sie kein Selbstzweck, sondern in ständiger Zirkulation: Sie kauft und verkauft, produziert effizient und schafft Wohlstand für sich und die Ihren. Und darüber vergisst sie auch nicht, den Armen und Bedürftigen etwas vom erwirtschafteten Gewinn abzugeben (V. 20) – eine solche Frau, die ebenso gottesfürchtig wie tüchtig ist, ist uneingeschränkt zu loben.
Das ist das eine Extrem: ein Schalom-Zustand des Friedens und der nachhaltig erzeugten Fülle für alle.[4] Das andere Extrem ist das Verhalten des faulen Knechts, der das ihm anvertraute Geld buchstäblich in der Erde versenkt und der Zirkulation entzieht. Er verhält sich so als herrschten Krieg und Katastrophen, als wären Vertrauen („ich wusste, dass du ein harter Mann bist“, V. 24) und damit die Bereitschaft, Kredite zu vergeben auf einen Nullpunkt gesunken. Damit antizipiert er die Katastrophen und das Leid, das sie mit sich bringen als Normalzustand und verrät die Hoffnung auf den Schalom des Himmelreichs. Geld zieht er aus dem Verkehr und hortet es, denn er wird von Misstrauen und Furcht beherrscht (V. 25). Ergebnis ist für ihn dann das Gegenteil des Schalom-Zustands: Heulen und Zähneklappern.
Der Großgrundbesitzer und sein ungerechter
Nicht so eindeutig liegen die Dinge beim dritten Protagonisten, dem Verwalter in Lukas 16, der zwar ungerecht ist, aber dennoch gelobt und als Beispiel hingestellt wird. Die Auslegung dieses Gleichnisses ist hochgradig umstritten. Ich verstehe es folgendermaßen: Jesus versetzt die Zuhörenden mit dieser Geschichte in die Welt der reichen Großgrundbesitzer und ihrer professionellen Dienstleister und Handelspartner - dafür sprechen die außerordentlich großen Mengen, um die es geht (V. 6f). Die zum Teil immens reichen Großgrundbesitzer wohnten oft in ihren Stadtpalästen weit weg von den Ländereien, die ihren Wohlstand ausmachten. Damit diese optimal bewirtschaftet wurden und ihren jährlichen Ertrag abwerfen konnten, stellten die Eigentümer Manager oder Ökonomen an, die an ihrer Stelle die täglichen Geschäfte führten. Um einen solchen angestellten Manager geht es.
Damals wie heute ist in dieser Beziehung zwischen Eigentümern und Verwaltern bzw. Managern ein Konflikt angelegt. Die Eigentümer sind darauf angewiesen, dass die Manager ihre Arbeit ordentlich machen und das Vermögen ihrer Arbeitgeber vermehren oder zumindest erhalten, aber Verwalter und Manager verfolgen immer auch ihre eigenen Interessen. Weil dieses Problem zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer so typisch ist und immer wieder begegnet, hat es einen eigenen Namen: Prinzipal-Agent-Problem.[5] Die Prinzipale sind die Eigentümer und die Agenten sind ihre Angestellten und Dienstleister. Die Eigentümer haben im Wesentlichen zwei Möglichkeiten mit dem Interessenkonflikt umzugehen: Sie können die Kontrolle verstärken oder die Anreize in der Entlohnung der Agenten so setzen, dass es zu einer Angleichung der Interessen kommt. Dennoch bleibt den Prinzipalen letztendlich nichts anderes übrig, als den Agenten immer wieder freie Hand zu lassen und auf ihre Fähigkeiten und ihre Ehrlichkeit zu vertrauen.
In dieser ökonomischen Welt der Prinzipale und Agenten spielt also das Gleichnis. Ein Großgrundbesitzer erfährt, dass seine Interessen bei seinem Verwalter in schlechten Händen sind. Also bestellt der Reiche ihn ein, fordert Rechenschaft und stellt seinem Manager die Kündigung in Aussicht, die jedoch nicht sofort wirksam wird. Der Verwalter verliert daraufhin nicht den Kopf, sondern zieht Bilanz und überlegt, wie er seinen gewohnten Lebensstandard weiterhin halten kann. Körperliche Arbeit und Betteln kommen für ihn nicht infrage. Was sonst wäre möglich? Noch hat er ja seine bisherigen Befugnisse und es wird ihm schnell klar, dass er auf jeden Fall diese Vollmachten zu seinem Vorteil nutzen will.
Sehr spannend finde ich nun, was der Verwalter nicht macht. Er könnte ja ohne Weiteres Geld, Öl- und Weizenvorräte oder andere Vermögensgegenstände seines Arbeitgebers unterschlagen, also für sich abzweigen und irgendwo horten bis sich der Sturm um seine Entlassung gelegt hat. Dann könnte er seine Beute nach und nach nutzen, um sich weiterhin ein schönes Leben zu machen. Wenn er denn schon zum Betrug bereit ist (was ja der Fall ist), dann wäre das doch der einfachste Weg, sein Ziel zu erreichen. Er könnte das so geschickt anstellen, dass niemand davon erfährt und er würde sich damit eine Menge Unannehmlichkeiten ersparen.
Gabe und Gegengabe: Klug ist, wer mit Geld Beziehungen stiftet
Aber genau das macht er nicht und genau das ist auch der springende Punkt: Er versteckt und hortet Geld und Vermögen nicht, um sich von der Umwelt unabhängig zu machen, sondern sucht im Gegenteil den Austausch mit anderen, um seinen Lebensstandard zu sichern. Jesus kommt es in diesem Gleichnis m. E. nicht darauf an, wie der Verwalter an das gekommen ist, was er nun zu seinem Vorteil verwenden möchte, sondern wie er es einsetzt. Das Ziel des Verwalters wird so beschrieben: „Damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde“ (V. 4). Der Ökonom sagt sich also nicht wie der reiche Kornbauer in Lukas 12: „Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!“ (V. 19) Auf eine solche Haltung gibt es nämlich nur eine, sehr klare Antwort, und zwar überall in der Bibel, nicht nur im Lukasevangelium. Es ist die Antwort, die der reiche Kornbauer sofort im Anschluss an sein Selbstgespräch von Gott erhält: „Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern“ (V. 20).
Ein solcher Narr ist der Verwalter jedoch nicht und genau dafür wird er später gelobt (V. 8). Er weiß, dass Wohlstand nur dann genossen werden kann, wenn davon freigiebig an andere weitergegeben wird. Das unsoziale Verbergen und Horten von Reichtümern wird von Jesus strikt verurteilt, Geld soll fließen, es soll als Gabe an andere weitergegen werden - und zwar durchaus in der Erwartung, dafür ebenfalls etwas zu erhalten. Ich gebe dir etwas und vertraue darauf, dass du den Gefallen irgendwann erwidern wirst. So werden Beziehungen gestiftet, so kann ein Sozialwesen entstehen, in dem alle leben können. Im Gleichnis ist die Gabe jeweils ein teilweiser Schuldenerlass und die erwartete Gegengabe ist die Aufnahme in die Häuser der von Schulden entlasteten Geschäftspartner des Großgrundbesitzers.[6]
Nicht der geschickt eingefädelte Betrug an seinem Auftraggeber ist das Kluge an seinem Verhalten, sondern dass der Verwalter auf das soziale Netz vertraut, das aus Gaben und Gegengaben gewoben wird. Der Gegensatz dazu ist die Torheit des reichen Kornbauern, der nur auf sich selbst gestellt sein will. Jesus lobt nicht den Betrug des ohne Beschönigung als „ungerecht“ bezeichneten Verwalters, sondern er lobt ganz gezielt seine Klugheit: die Bereitschaft zu vertrauen. Macht euch Freunde mit dem Mammon, gebt ihn weiter als Gabe, und zwar genau so wie die Kinder der Welt das tun, nämlich in Erwartung einer Gegengabe (V. 8f). Seid nicht so dumm, euch in falschem Unabhängigkeitsstreben aus dem sozialen Geben und Nehmen ausklinken zu wollen und euer Geld zu verstecken und für euch allein zu horten. Geld, das nicht fließt, das keine Beziehungen stiftet, das keine positiven und nachhaltigen sozialen Wirkungen hat, ist falsch angelegt und verwendet.
Fazit: Mit Geld zu einer nachhaltigen, friedlichen und gerechten Gesellschaft beitragen
Diese Erkenntnis drängt sich auf, wenn der Vergleich zwischen den drei Protagonisten der auszulegenden Bibeltexte gezogen wird. Sie unterscheiden sich nicht nur dadurch, dass zwei von ihnen auf kluge und kreative Weise aktiv sind und der dritte faul die Hände in den Schoß legt. Das Urteil über sie hängt ganz entscheidend davon ab, wie sie mit Geld umgehen: ob sie dieses Medium nutzen, um zu einer nachhaltigen, friedlichen und gerechten Gesellschaft beizutragen oder eben nicht.
Dr. Karin Bassler, Darmstadt
[1] Ein Beispiel: „Als in vorgeschichtlicher Zeit jede Familie, Gruppe oder Dorfgemeinschaft ihren Bedarf an Nahrungsmitteln, Kleidung und anderen Gütern des täglichen Bedarfs selbst erzeugte, war noch kein Geld notwendig. Als ‚Spezialisten‘, die für die Herstellung mancher Güter besonders geschickt waren, mehr davon fabrizierten, als sie selbst verbrauchen konnten, begann als erstes der Tauschhandel … Waren gegen Waren. … Je umfangreicher der Gütertausch wurde, desto notwendiger war ein Hilfsmittel für den Tausch, das sich zugleich als Wertmesser eignete. Die ersten Tauschmittel waren unterschiedliche Waren. … Mit zunehmendem Handel dienten als solches ‚Warengeld‘ mehr und mehr Metallstücke, die anfangs bei jedem Handel zugewogen wurden. Schließlich … war das Münzgeld entstanden, der Ursprung unserer heutigen Geldwirtschaft,“ in: Wolfgang Trapp und Torsten Fried: Handbuch der Münzkunde und des Geldwesens in Deutschland, Stuttgart 2014, S. 9f.
[2] Diese auffällige Erscheinung, so Simmel „bedeutet doch nur die Stockung der Zirkulation, die durch die Ängstlichkeit des Einzelnen, sich auch nur momentan von seinem Gelde zu trennen, veranlaßt oder verstärkt ist. In normalen Zeiten läßt die Schnelligkeit der Zirkulation seine Substanz viel ausgedehnter erscheinen, als sie in Wirklichkeit ist – wie ein glühendes Fünkchen, das im Dunkeln rasch im Kreis bewegt wird, als ein ganzer glühender Kreis erscheint, – um in dem Augenblick, wo seine Bewegung aufhört, sofort wieder in seine substanzielle Minimität zusammenzuschmelzen,“ in: Georg Simmel, Philosophie des Geldes, Frankfurt 1989, S. 240.
[3] In Bagehots bahnbrechender erster Theorie eines Zentralbanksystems heißt es weiter: „After a great calamity, everybody is suspicious of everybody; as soon as that calamity is forgotten, everybody again confides everybody. … In times when credit is good productive power is more efficient, and in times when credit is bad productive power is less efficient,” in: Walter Bagehot, Lombard Street. A Description of the Money Market, Mansfield Centre, CT 2014, S. 64.
[4] Geld ist in der Bibel nicht konstitutiv für den Schalom-Zustand, was z.B. bei Deuterojesaja deutlich wird: „Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch!“, Jes 55,1-5. Aber da florierende Wirtschafts- und Handelsbeziehungen wie sie in Sprüche 31 beschrieben werden auf Freiwilligkeit und Vertrauen beruhen, setzen sie in der Regel die Abwesenheit von Gewalt, Rechtssicherheit und funktionierende Institutionen voraus – mit anderen Worten: Sie erfordern Frieden und fördern ihn auch. Und darum kann auch der Kauf eines Ackers für 17 Schekel Silber in Jer 32 zur Zeichenhandlung werden, die den Schalom für das scheinbar in Krieg und Gewalt untergegangene Juda verheißt: „Denn so spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels: Man wird wieder Häuser, Äcker und Weinberge kaufen in diesem Lande,“ (V. 15).
[5] Vgl. Elisabeth Göbel, Neue Institutionenökonomik. Konzeption und betriebswirtschaftliche Anwendungen, Stuttgart 2002, S. 98 ff.
[6] Der offensichtliche Zusammenhang zwischen den Begriffen von Gabe/Gegengabe und dem von Simmel und Bagehot beschriebenen Kreditwesen wurde von einem dritten Klassiker der hier präferierten Geldtheorie hervorgehoben, und zwar 1925 vom französischen Soziologen und Ethnologen Marcel Mauss in seinem „Essai sur le don“: „Nun zieht aber die Gabe notwendig den Kreditbegriff nach sich. Die ökonomische Entwicklung hat nicht vom Tausch zum Verkauf geführt und dieser nicht von der Barzahlung zum Kredit. Vielmehr haben sich einerseits der Tauschhandel … und andererseits der Kauf und Verkauf (letzterer als Bar- und Kreditverkauf) sowie auch das Darlehen aus dem System der Gaben und Gegengaben entwickelt,“ in: Marcel Mauss, Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften, Frankfurt 2013, S. 84.